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Sympathy for Mr. Vengeance

Park Chan-wook präsentierte 2002 mit Sympathy for Mr. Vengeance ein Gericht, das am besten kalt serviert wird. In diesem brutalen Krimi gibt es keine Gewinner.


Im Jahr 2003 löste Park Chan-wook (Durst) mit seinem Vergeltungsthriller Oldboy eine Welle der Begeisterung für das südkoreanische Genre-Kino aus. Ein Jahr zuvor bildete er mit Sympathy for Mr. Vengeance bereits den Grundstock für seine Rache-Filmreihe, die 2005 mit Lady Vengeance zu Ende gebracht wurde. Schade, denn der erste Teil bekam bis heute nicht die Aufmerksamkeit, die er verdient. Dabei ist die Geschichte so wendungsreich wie spannend: Der taubstumme Ryu (Shin Ha-kyun, The Villainess) will seiner kranken Schwester, die sich die meiste Zeit vor Schmerz auf ihrer Matratze windet, eine Operation ermöglichen.

„Sympathy for Mr. Vengeance“ ist der Auftakt von Park Chan-wooks Rache-Trilogie.

Er schuftet hart für das benötigte Geld, doch als er seinen Job in der Fabrik verliert, sieht sich Ryu gezwungen, sich an Organhändler zu wenden. Die Händler ziehen ihn allerdings über den Tisch und ein Plan B muss her. Ryu und seine linksradikale Freundin Cha Yeong-mi (Bae Doona, The Host) entführen die Tochter des Geschäftsmanns Park Dong-jin (Song Kang-ho, Parasite), um Lösegeld zu erpressen und an die erlösende Niere zu kommen. Aber die Aktion misslingt und Ryu sieht sich nicht nur mit einer persönlichen Katastrophe, sondern auch mit den Rachegelüsten eines rasenden Vaters konfrontiert.

Nichts für Zartbesaitete

Vorneweg: Sympathy for Mr. Vengeance ist beeindruckend und für eines von Chan-wooks Frühwerke schon extrem stilsicher. Vor allem bei den harten Szenen lässt er Kameramann Kim Byeong-il unerbittlich auf die Schauspieler draufhalten. Der setzt die Figuren, die so einiges mitmachen müssen, schonungslos in Szene. Spätestens als ein Bandenmitglied der terroristischen Organisation, der auch Cha Yeong-mi angehört, sich in aller Ruhe eine Zigarette anzündet und einem Sterbenden dabei zusieht, wie er in seiner Agonie elendig verendet, ist klar: Dieser Film ist nichts für Zartbesaitete.

Der eine kann nichts hören, die andere will nichts hören.

Dabei verwendet er klassische Einstellungen wie die Totale, aber auch solche aus der Ego-Perspektive. In diesen wird deutlich: Park Chan-wook sieht nicht nur Ryu als seine Hauptfigur an, sondern lässt den Zuschauer auch durch die Augen des durch Vergeltungsdurst angetriebenen Park Dong-jin blicken. Am denkwürdigsten sind dennoch die Szenen aus der Sicht des taubstummen Ryu. Mit einem stets gedämpften Wabern, das die Taubheit soundtechnisch hervorragend zum Ausdruck bringt, macht Chan-Wook Ryus Situation noch einmal besonders deutlich. Denn mit jedem Versuch, das Geschehene wieder in Ordnung zu bringen, entfernt Ryu sich selbst noch ein wenig mehr aus seiner Umwelt, zu der er durch seine Taubheit sowieso nur erschwert Zugang hat. Er gerät in eine Spirale, die plötzlich von vielen Menschen mit Rachegelüsten angetrieben wird.

Nicht zuletzt ist es dieser akustische Kniff, der eine zentrale Aussage von Sympathy for Mr. Vengeance noch einmal hervorhebt: Jeder lebt für sich allein und am Ende kann er nicht wissen, was andere antreibt. Das Leben wird zu einem Kampf, in dem es keine Gewinner gibt, wenn sich die Schicksale von Menschen in emotionalen Schockzuständen erst einmal verketten.

Schockierend, dramatisch, brutal

Es geht im Film also auch um Krankheit und den lädierten Körper als solchen. Taubstumm, nierenkrank, Spasmus – all das scheinen Symptome einer selbst kranken Gesellschaft zu sein, in der Menschen wie Ryu eindeutig und wiederum nicht nur körperlich benachteiligt sind. Sie empfinden eine Art der Ohnmacht, die sie irgendwann zum Äußersten treibt. Doch nicht nur die unteren Schichten sind betroffen, denn diese Ohnmacht zieht ihre Kreise und zeigt sich in übermittelter Form auch weit oben in der Gesellschaft.

Der reiche Geschäftsmann Park Dong-jin bekommt sie am eigenen Leib zu spüren, als seine Tochter entführt wird. Was Chan-Wook hier macht: Er schildert einen Klassenkampf auf besonders drastische Weise und überspitzt die Konflikte nach allen Regeln der Filmkunst. Dass die Rachegelüste, die schließlich aus vier verschiedenen Richtungen zusammentreffen, jeweils erfolgreich ausgelebt wurden, am Ende aber auch niemand was davon hat, da sich die Beteiligten gegenseitig ausstechen, ist höchst intelligent erzählt.

Im Laufe der Geschichte wird ein Klassenkampf entfacht, der auf drastische Weise überspitzt wird und so gesellschaftliche Konflikte nach allen Regeln der Filmkunst offenlegt.

Schockierend, zutiefst dramatisch und brutal – Sympathy for Mr. Vengeance ist ein selten geschnürtes Arthaus-Haudrauf-Paket. Park Chan-wooks Trilogie-Auftakt ist ein Rache-Thriller, der stellenweise ziemlich hart, dabei aber immer kurzweilig ist und im blutgetränkten Kleid einer intelligenten Crime-Story eine geradezu anmutige Figur macht. Sympathie für die Herren und Damen Rache? Eher weniger. Für den toll inszenierten Film, einem 121-minütigen Strudel der Brachialgewalt? Auf jeden Fall!

Bildquelle: Sympathy for Mr. Vengeance © Capelight