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Red Screening – Blutige Vorstellung

Abgetrennte Gliedmaßen, Blutfontänen, blitzende Messer in einem charmanten Ambiente mitsamt Hommagen an Argento und Konsorten – das alles ist Red Screening oder zu Deutsch: Blutige Vorstellung


Von Jonathan Ederer

Montevideo 1993: die Nacht ist stürmisch, im Kino „Cine Opera“ läuft ein Horrorfilm. Ana, die Tochter des Filmvorführers, hat ausnahmsweise die Nachtschicht für ihren Vater übernommen. Eigentlich kein Job, der besonders aufregend ist, eher das Gegenteil. Doch in dieser Nacht kann von Ruhe und gediegener Langeweile nicht die Rede sein: Ein erbarmungsloser Killer hat für die Vorstellung ein Ticket gelöst! Im Schutz der Dunkelheit des Kinosaals lässt der blutrünstige Mörder seinem Drang freien Lauf und metzelt, was das Zeug hält. Schon bald muss Ana nicht nur um ihr Überleben kämpfen, sondern auch versuchen, möglichst vielen Besuchern einen grausamen Tod zu ersparen.

Das Kino lebt! Doch darin bald keiner mehr – das ist der Supense, der Red Screening – Blutige Vorstellung aka Al Morir la Matinée, wie der Film im Original heißt, ausmacht. Der Indie-Slasher lief im September 2020 auf dem Hardline Filmfest in Regensburg und hat das Publikum schon damals von den heimischen Hockern gerissen. Dass das Festival damals zu großen Teilen daheim stattfinden musste, gab dem Film damals einen faden Beigeschmack: Denn mit dem Virus an der Backe kämpfte jetzt plötzlich das Kino selbst ums Überleben.

Klug und nostalgisch

Die gute Nachricht: Das Festival war trotz allem ein voller Erfolg und Red Screening verlor nichts an seiner Wirkung – im Gegenteil: Regisseur Maximiliano Contenti kreiert eine einzigartige, wunderbar nostalgische Atmosphäre in einem ehrwürdigen Kinosaal, der die Sehnsucht nach den Lichtspielhäusern noch größer werden lässt.

Dem Drehbuchautor Manuel Facal gelingt es dabei besonders toll, die große Bandbreite an Menschen, die man so im Kino treffen kann, abzubilden: das Pärchen, das mehr aufeinander fokussiert ist als auf den Film, das Kind, das eigentlich noch zu jung ist für den Film, sich aber irgendwie reingeschlichen hat, die Clique von Jugendlichen, das den Film entweder kaum beachtet oder ihn ständig kommentiert und komische Kauz, der sich den Film ganz alleine reinzieht, den jedes Geräusch stört und der sich den Film am liebsten alleine reinziehen würde.

Mit einer Hingabe zum Splatter und einer Detailverliebtheit, die ihres Gleichen sucht, liefert der uruguayische Regisseur Contenti eine Vorstellung ab, die sich sehen lassen kann. Dass der Kinosaal im Film, in dem sich eine Handvoll unterschiedlichster Menschen einen Horrorfilm (es läuft der Independent-Streifen Frankenstein: Day of the Beast) ansehen, selbst zum Schauplatz des Verbrechens wird, ahnt zu Beginn noch keiner der Anwesenden.

Hommage an das Genre-Kino

Spätestens, wenn die panischen Kinogänger, verfolgt vom gesichtslosen Killer, am Poster von Dario Argentos Opera vorbei hetzen, sollte jedem Genre-Liebhaber das Herz aufgehen. Und dabei wirkt nichts aufgesetzt – alles ist so wie es sein soll: Schlicht, aussagekräftig, charmant, intelligent, mit Witz und zu guter Letzt: eine Verbeugung vor den ganz Großen des Genres.

Abgetrennte Gliedmaßen, Blutfontänen, blitzende Messer in einem charmanten Ambiente mitsamt Hommagen an Argento und Co. Diese blutige Vorstellung ist ein Muss für jeden Horror-Fan und Freund des Genres, die nicht vor einem Low-Budget-Giallo zurückschrecken. Schon während der verheißungsvollen Eingangsszene, in der der Mörder ganz wunderbar eingeführt wird, etabliert Regisseur Contenti eine Atmosphärengemisch aus Suspense, Grauen und Heidenspaß.

Und das Beste und zugleich Schlimmste: Die Sehnsucht nach dem Kino wird geradezu ins Unermessliche gesteigert. Hoffen wir, dass die Pforten bald wieder öffnen und bis dahin lassen wir die Untaten dieses Killers sprechen, der zur Strecke gebracht werden und aus dem Lichtspielhaus vertrieben werden muss: Vorhang auf, Messer und Popcorn raus und – Film ab!

Bildquelle: Red Screening © Pierrot Le Fout 2021


Ein bisschen klassischer Slasher, etwas Giallo und jede Menge Passion für das Horror-Genre: Mit Red Screening – Blutige Vorstellung hat der uruguayische Regisseur Maximiliano Contenti einen blutigen Retrospaß vorgelegt, der die Zuschauer gnadenlos gut unterhält und vor Spannung gleichzeitig die Fingernägel abkauen lässt – egal, ob man sich beim Anschauen im Kino oder in den heimischen vier Wänden befindet.  

Der Streifen erscheint am 23. April als Mediabook Limited Edition auf Blu-ray und DVD beim Label Pierrot Le Fout.