Suche

Maniac & Zodiac

Die deutsche Übersetzung für den aus dem Lateinischen stammenden Begriff Zodiak ist Tierkreis. In der mittelalterlichen Astrologie bildete Zodiak das Spektrum der 12 Tierkreisbilder ab. Ein zoologisch-astronomischer Zirkel, der die gesamte Menschheit in sich trägt. Ende der 60er Jahre trat in den USA der Serienkiller Zodiac in Erscheinung. Der hielt sich für einen Jäger und hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Menschen als gefährlichstes aller Tiere mit einer ungesunden Portion Gerechtigkeitssinn und Psychopathie zu dezimieren. David Fincher verfilmte die Geschichte um Zodiac im Jahr 2007 herausragend und setzt dem Wahnsinnigen einen Konterpart entgegen: den Maniac.

Per Definition ist die Manie eine affektive Störung, die meist in Episoden verläuft. Antrieb, Stimmung und Aktivität befinden sich in einer Manie weit über dem Normalniveau. Die Hauptfigur des Films, Robert Graysmith, gespielt von Jake Gyllenhaal, inkorporiert diese Eigenschaften. Er legt eine manische Akribie an den Tag, um den Fall um den Zodiac-Mörder zu lösen. Er verliert dabei jegliche Relation, die ihm eine Einordnung seiner Jagd auf vernünftiger Basis ermöglicht hätte. Er vertieft sich in die von Zodiac gestellten Rätselspielchen, dechiffriert seine Verhaltensmuster, sein Umfeld, geht Schritte, die eigentlich nicht in seinen Aufgabenbereich fallen. Denn er ist Karikaturist beim San Francisco Chronicle. Sein Kollege und Kolumnist Paul Avery, Robert Downey Jr., vertieft sich ähnlich in den Fall, scheitert aber zusehends an dessen Aussichtslosigkeit.

Zodiac?
Bildquelle: Zodiac © 2008 Warner Home Video

Die Aufklärung der Mordserie ist bis heute ausständig. Zwar hat Graysmith ein Buch über seine Recherchen geschrieben und einen klaren Verdächtigen herausgestellt, doch dieser wurde Jahre später mit moderner Forensik von nachweisbarer Schuld befreit. Am Ende des Films macht Graysmith einen Schritt, der ihm eine offene Konfrontation mit dem von ihm vermuteten Mörder ermöglicht. Er besucht ihn in dem Laden, wo dieser arbeitet, geht auf ihn zu und starrt ihn einfach nur an. Während dieses Starrens lässt Gyllenhaal mit perfekt gesetzten Nuancen erkennen, was dieser Anblick wohl auslösen muss. Es ist ein Zustand der erleichternden, zugleich hoffnungslosen Läuterung, den Graysmith nach der Durchschreitung des Tal aus Jammers und Schauder erreicht. Sie hat einen faden Beigeschmack, denn eine gerechte Strafe aus seiner Warte und die Belohnung seiner Arbeit ist nicht in Sicht.

Der Zodiac-Killer ist unberechenbar. Er tötet zwar nicht wahllos, bricht jedoch immer wieder aus seinem Muster aus. So kann sein Unwesen keiner einzelnen Person zugeordnet werden und der Verdächtige bleibt ein maskierter Mann mit Fadenkreuz auf der Brust. Sein Morden ist nicht zyklisch, wie es eine konsequente Durchführung des Mordens gemäß seines Namens verlangen würde. Der Maniac braucht jedoch Muster, Struktur, Wiederholungen und Kohärenz, um auf des Rätsels Lösung zu kommen. Es entsteht eine Dialektik, die koexistent sein muss, denn eine Auflösung ist nicht möglich. Chaos und Ordnung bedingen sich.

„Das Irrationale und das Zufällige, das in der Formation der Wesen, besonders der organischen, mit dem Notwendigen sich verbunden zeigt, beweist, dass es nicht bloß eine geometrische Notwendigkeit ist, die hier gewirkt hat, sondern dass Freiheit, Geist und Eigenwille mit im Spiel waren.“ Der Anthropologe Friedrich Wilhelm Joseph Schelling glaubt an den Zufall in der Freiheit, den auch Zodiac in sich trägt. Das Böse wirkt aus einer gewissen Irrationalität heraus, ist dadurch aber frei. Auf der anderen Seite hält sich der manische Graysmith an strikte Muster, kann nicht aus dem Raster ausbrechen. Er ist nicht frei, er ist Gefangener der eigenen Manie.

Das Irrationale zeigt sich als dezentralisiertes Konstrukt Zodiac, das einer manischen Gegenüberstellung bedarf, damit es sozusagen chaotisch wirken kann. Als sich Graysmith zum Beispiel im TV blicken lässt, um die Arbeit an seinem Buch vorzustellen, regt sich der Zodiac im Dunkeln und gibt nach langer Zeit der Funkstille wieder schwere Atemgeräusche von sich. Das Böse nimmt die Form eines vermummten, nicht sichtbaren Subjekts an, das im Gegensatz zu Graysmith nichts inkorporiert außer das Böse selbst. Es kann in keiner zentralisierten Manie handeln, wirkt geografisch und zeitlich unpoetisch und ist somit für den Maniac nicht greifbar. Dass er aber bis zum Ende, und ist es noch so unerbittlich und fernab der Genugtuung, aktiv bleibt, spricht für seine Notwendigkeit in dieser dialektischen Betrachtung.