Von Jonathan Ederer
Es liegt nun schon 17 Jahre zurück, seit Arne Herrmann bei einem kleinen Independent-Filmverleih zu arbeiten begann. Bis heute ist er der Filmbranche treu geblieben und hat seine Leidenschaft zum Beruf gemacht. „Ich bin in erster Linie Film-Fan und -Enthusiast. Daher hatte ich mich schon in meiner Teenagerzeit dazu entschlossen, in diesem Bereich tätig zu werden“, erzählt er uns. Die Faszination dafür, wie man durch Schnitte in Kombination mit der Musik die Stimmung einer Szene oder eines Films verändern kann, lässt ihn bis heute am Ball bleiben. Dass er diesen Anspruch verinnerlicht hat, lässt er uns in seinen Trailern erkennen, die Millionen Zuschauer in die Kinos locken.
2005 verschob sich der Schwerpunkt seiner Arbeit und Arne schnitt 10 Jahre lang bei einer TV- und Videoproduktionsfirma Making-Ofs und DVD-Bonusmaterial. In dieser Zeit produzierte er unter anderem die dokumentarischen Begleitvideos zum Hollywoodfilm Die drei Musketiere und zu Achim Bornhaks Streifen über Uschi Obermeier Das wilde Leben. Im Laufe der Jahre hatte er mit weiteren Größen der Filmwelt zu tun, nahm Sprachaufnahmen von Hugh Jackman, schnitt das Showreel für Karoline Herfurths Website und hat mit Oscar-Gewinner Florian Henckel von Donnersmarck zusammengearbeitet.
„Danach wollte ich mich mehr in Richtung Werbung bewegen, arbeitete einige Jahre freiberuflich und habe alles mögliche geschnitten. Bis mir ein Freund erzählte, dass eine neue Filmwerbeagentur in Berlin Trailer-Cutter sucht.“ Bei der Bewerbung verlangte die Agentur einen werbewirksamen Trailer für einen „schwierigen Film“, erzählt Arne. Dieser schwierige Film sollte Haywire aus dem Jahr 2011 sein, der damals tatsächlich keinen kritischen Konsens erwirken konnte. Dabei kannte er den Film zuerst nicht, realisierte aber nach der ersten Sichtung die Kontroverse. Viele Trailer-Cutter würden dabei mit Fan-Trailer anfangen und sich dann bei Agenturen bewerben. Manchmal kommen die Jobangebote dann auch von selbst.
Die Kunst des Trailer-Schneidens sei es, einen Film, der über zwei Stunden geht, auf 90 bis 120 Sekunden zu reduzieren und dabei die Essenz eines Filmes wiederzugeben und dabei das Publikum neugierig zu machen. Dass heutzutage Trailer oft schon den ganzen Film verraten, stört Arne. „Für mich persönlich muss ein guter Trailer in erster Linie Appetit auf einen Film machen. Es reicht aus, wenn der Trailer das Gefühl und den Ton des Films vermittelt. Jedoch sollte nach Möglichkeit die Story nicht verraten werden. Schließlich versucht man ja über den Trailer, Menschen dazu zu bringen, mehr über die Geschichte zu erfahren zu wollen und sie dadurch ins Kino locken.“
Und trotzdem braucht diese Passion eine Regelhaftigkeit. Dabei folgt Arne einem flexiblen Prozedere, das mit der Sichtung des gesamten Materials beginnt, das ihm zur Verfügung steht. Währenddessen macht er sich Notizen. Es sei ziemlich selten, dass ihm in diesem Stadium der finale Film mit fertigen Special Effekten, Filmmusik und Sound Effekten vorliegt, denn es ist oft nur eine erste Schnittfassung des Films, mit der er arbeite. „Manchmal sind es sogar erst ein paar erste geschnittene Szenen oder ein animiertes Storyboard bei Animationsfilmen.“
Jetzt kann es ins Detail gehen. Dazu gehört auch, dass sich Arne das Briefing des Kunden durchliest und sich den Film ein zweites Mal ansieht. Er beginnt damit, alle Szenen zu separieren und zu benennen und erstellt so eine Auswahl von Schlüsseldialogen oder Aussagen, die besonders im Zentrum stehen. Dadurch entstehen Sequenzen, die den Haupt-Cast, den Additional Cast (Nebenfiguren), auffällige und interessante Shots, Action oder Montage beinhalten können. Anschließend denkt er über die Struktur und den Aufbau nach: „Was und wie viel vom Film will ich erzählen, was nehme ich als Einstieg und was eignet sich als Button (Schlussgag oder die Endszene), macht ein Sprecher Sinn?“
Diese Struktur kann dann so aussehen, dass im ersten Drittel des Trailers ein Charakter oder eine Situation vorgestellt wird. Im zweiten Teil wird zum Konflikt, der ein Problem oder ein Hindernis darstellen kann, hingeführt. Im letzten Drittel geht es um Tempo und Stil. Ist das geschafft, geht es an die Musikauswahl. „Im Normalfall suche ich die Musik in Abstimmung mit meinem Creative-Director selber aus. Doch es ist ratsam, vorher mit dem Kunden abzuklären, welches Budget zur Verfügung steht.“ Konkret heißt das: Reicht das Geld aus, einen Hit aus dem Radio verwenden zu können oder muss die günstigere Variante gewählt werden, indem Musik von beauftragten Produktionsfirmen bezogen wird. Manchmal kommt es auch vor, dass bereits die Musik des Soundtracks integriert werden soll oder Kooperationen mit einem Musik-Label stattfinden.
Dabei stößt er manchmal auf utopische Forderungen, Arne nimmt es mit Humor: „Ich hatte schon mal einen Kunden, der wünschte sich, dass der Sommerhit des nächsten Jahres in die Endmontage des Trailers eingebaut wird. Das war natürlich komplett unrealistisch, da niemand vorhersagen kann, welches Lied ein Hit wird.“ Weiter erzählt er uns von einer geplatzten Kooperation und kreativen Differenzen: „Bei einem anderen Trailer hatte ich den perfekten Song von einem bekannten Künstler verwendet. Der Kunde war auch begeistert, aber leider wollte das Plattenlabel dafür sehr viel Geld haben und wir mussten nach einer Alternative suchen. Nachdem wir über zehn andere Songs probiert hatten und nicht zufrieden waren, sprachen wir noch einmal mit dem Plattenlabel, um zu versuchen, die Lizenzgebühr ein wenig zu drücken. Am Ende war aber der Kunde dann doch bereit, viel Geld für den Song zu bezahlen, doch da entschied der Künstler, dass sein Song nicht für den Trailer verwendet werden darf.“
Dass es hier oft zu Unstimmigkeiten kommt, liegt laut Arne daran, dass die Geschmäcker ja bekanntlich verschieden sind. Der verwendete Song müsse schließlich vielen Leuten in der Abnahmeschleife gefallen. Zudem sei Musik meistens der höchste Kostenpunkt in einer Trailerproduktion. Wenn man sich Trailer aus den USA ansieht, falle auf, dass man dort ganz andere finanzielle Möglichkeiten hat. Oft integriert man dort mehrere Hits in einem Trailer oder es werden Tracks extra für den Trailer komponiert oder umrangiert. Die Frage, ob es denn schwieriger sei, für fremdsprachige Filme Trailer zu schneiden, verneint Arne: „Es ist vielleicht umständlicher, wenn man die Sprache nicht versteht, denn dann muss man darauf achten, dass man beim Schneiden die Untertitel an der richtigen Stelle behält und man kann natürlich auch Dialoge nicht einkürzen oder umschneiden.“
Vor kurzem hat Arne den Trailer zu Der Fall Collini geschnitten. Der Film basiert auf dem gleichnamigen Buch von Ferdinand von Schirach. Zur Vorbereitung lese er aber nur manchmal die Vorlage des Films. Es gebe ihm zwar einerseits ein besseres Gefühl und ein anderes Verständnis für die Story und die ursprünglichen Aussage. Doch andererseits sei die Lektüre oft nicht wirklich ratsam, da sich der Film doch häufig vom Original unterscheidet. Oft würden Szenen und vor allem Dialoge verändert. Dieses Wissen könne beim Schneiden dann verwirrend sein.
Und da kommt sie wieder eindeutig zum Vorschein: Die Leidenschaft für den Film an sich und wie man ihn am besten in Szene setzt. Arne gibt diese Leidenschaft in Form von Trailern an uns weiter und entfacht eine Vorfreude auf den nächsten Kinobesuch. Der liegt zwar aufgrund der Corona-Pandemie noch in etwas weiterer Zukunft und auch zwei von Arnes Projekten liegen derzeit auf Eis. Doch bis dahin hat uns der Experte auf dem Gebiet einen Trailer ans Herz gelegt, der aus der filmischen Goldschmiede A24 stammt. Nicht nur seine Expertise auf dem Gebiet des Schneidens hat uns begeistert, auch auf seinen Filmgeschmack ist Verlass.