Ist der Mensch böse? Wenn ja, kann er bekehrt werden? Kann er sich an Gesetze halten? Und wenn nicht, kann er dazu gebracht werden, es in Zukunft zu tun? In Uhrwerk Orange (1971) wählt Stanley Kubrick als Antwort auf diese Fragen die radikalste überhaupt: Das Symptom des Bösen wird behandelt und unterdrückt. Von Heilung kann keine Rede sein, denn durch die Abwesenheit des Bösen in der Figur Alex (Malcolm McDowell) entstehen zahlreiche andere Erscheinungen und Nebenwirkungen, die Alex selbst belasten.
Dass sich Kubrick zu dieser Problematik nicht eindeutig ausdrückt, ist im Kontext seiner Filmographie als konsequent zu betrachten und zuletzt bleibt die Frage offen, ob es das Böse nicht so lange geben wird, wie der Mensch selbst existiert und seine sich selbst auferlegten Regeln bricht.
„So now it was to be Georgie the general, saying what we should do and what not to do, and Dim as his mindless greeding bulldog. But suddenly I viddied that thinking was for the gloopy ones and that the oomny ones use, like, inspiration and what Bog sends. For now it was lovely music that came to my aid.“
Alex in Uhrwerk Orange
In seiner Zeit als Wüstling ernennt sich Alex selbst zum General, der selbst bestimmt, was er tun darf, was er tun soll und was nicht. In Zeiten mit verschärften Regeln, wie es auch in den Jahren der Thatcher-Ära der 70er der Fall war, tendiert das Individuum dazu, die Regelhaftigkeit in Frage zu stellen und sich gegen das System zu stellen in dem der Einzelne ja eigentlich funktioniert.
Doch die Möglichkeit, selbst die Regeln zu bestimmen, ist zu verlockend. Alex bricht das Ausgangsverbot, versammelt seinen Schlägertrupp um sich und bringt das Government gegen sich auf.
Die britische Regierung unterzieht Alex grauenhaften Methoden, um ihm den Teufel auszutreiben. Zuvor zog er fast nächtlich mit seiner Bande durch die Straßen Londons und quälte Menschen, die sich nicht wehren konnten. An ihm wird nun das Ludovico-Verfahren vollzogen, ihm auszutreiben, was die Gesellschaft für untragbar hält, benannt nach dem Künstler, der Alex alles bedeutet: Ludwig van Beethoven.
Richard Wagner sagte über Beethovens Neunte, dass sie das menschliche Evangelium der Kunst der Zukunft sei. Aus Alex Warte gibt es jedoch keine Zukunft und sein Evangelium ist nichts als ein Martyrium. Eingesperrt in einem Käfig der künstlerischen Apathie, die ihm nichts mehr erlaubt außer die bloße Existenz.
Ja, das Böse ist aus ihm entwichen, doch lässt Kubrick keinen Zweifel daran, dass das Böse eine Hydra ist: Schlägt man ihr einen Kopf ab, wachsen zwei neue nach. Und so besteht der seelenlose Mensch weiter, der ruchlos und sich unmoralischen Zeremonien der Regierung unterwirft, indem er deren korumpierten Vertretern die Hand schüttelt. Er und das Böse besteht so lange, bis das Symptom Mensch auskuriert ist.
Der Kontakt zwischen Alex und seinem musikalischen Vorbild Ludwig van Beethoven ist also durch die Entwöhnung von allem, was ihm je lieb war, endgültig abgebrochen.
Es ist als höchste Strafe anzusehen, nicht mehr lieben zu können, was einem einst das allerliebste war. Alex muss sich die Ohren zuhalten, um nicht durch die Musik aus Beethovens Feder in einen Brechreiz zu verfallen und schirmt so jene Klänge ab, die Beethoven selbst zum Ende seines Lebens aufgrund vollständiger Taubheit verwehrt blieben. Der Regelbruch der Verbrecherbande fordert also seinen Tribut und so darf Alex nicht mehr hören, er muss fühlen.
„I woke up. The pain and sickness all over me like an animal. Then I realized what it was. The music coming up from the floor was our old friend, Ludwig Van, and the dreaded Ninth Symphony.“
Alex in Uhrwerk Orange