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Filmregisseur Akiz über Kunst und Quarantäne

Der Berliner Autor, Regisseur und deutsche David Lynch Achim Bornhak, auch bekannt als Akiz, erzählt vom Leben als Künstler in Quarantäne, zukünftigen Filmprojekten und die Angst vor dem „perfekten Kunstwerk“. Die derzeitige Entschleunigung nutzt er, um seine Arbeiten als Bildhauer und Fotograf fortzuführen.

Interview

Von Jonathan Ederer

Hallo Achim, wie empfindest du die aktuelle Zeit mit Ausgangsbeschränkung? Siehst du deine künstlerische Freiheit eingeschränkt oder inspiriert dich diese Situation?

Weder noch, Menschen haben zu allen Zeiten und an allen Orten Kunst gemacht, im Krieg, im Gefängnis, genauso wie in Zeiten der Dekadenz und des Überflusses. Inspiration halte ich für eines der größten Mythen, die es gibt. Ich glaube nicht an Inspiration, oder mit anderen Worten ausgedrückt: Ich fühle diesen Zustand, den wir „Inspiration“ nennen zu jeder Zeit gleich. Gedanken und Ideen für Kunstwerke hat man immer, das ist ein andauernder Strom, der nicht abreißt, ich fühle mich nie von der „Muse geküsst“, oder „uninspiriert“. Die einzige Frage, die sich mir als Künstler stellt, ist, ob ich mir die Zeit nehme, oder mir die Mühe mache, beziehungsweise die Anstrengungen auf mich nehme, diesem oder jenem Gedanken oder Idee nachzugehen und Ausdruck zu verleihen. Das hat aber nichts mit Inspiration zu tun, sondern ist schlichtweg und ausschließlich eine Frage des Kraftaufwandes. Wenn ich nur Filmregisseur wäre, würde ich diese Krisenzeit gerade aber sicherlich als eine Beschränkung empfinden, weil man momentan einfach nicht drehen kann, aber ich male, zeichne, schreibe, fotografiere, oder arbeite als Bildhauer, das geht alles auch in Isolation.

Das klingt so, als würdest du die Zeit ganz gut nutzen können.

Ich empfinde die aktuelle Zeit als sehr, sehr spannend. Ich lebe in absoluter Quarantäne, schreibe von morgens bis abends, kümmere mich um meine beiden alten Eltern und genieße die verlangsamte Zeit. Auch wenn es zynisch klingen mag, aber ich genieße diesen Ausnahmezustand in vollen Zügen, mir war dieser allgegenwärtige Lebensstil der Menschen, „Schneller, höher, weiter, mehr, mehr, mehr“ suspekt und zuwider. Jede Krise ist eine Chance und wenn wir es richtig angehen, könnten wir aus dieser Krise etwas lernen.

Dem Hund aus deinem neuen Roman ist eine solch isolierte Situation auch nicht fremd. Er gibt sich seiner Leidenschaft, der Küche, bis zum Exzess hin. Inwieweit ist dir dieses Versinken in einer Materie bekannt und empfindest du das als bedrohlich?

Die Suche nach dem „perfekten Kunstwerk“, (oder in seinem Fall der „ultimative Geschmack“) kenne ich nur zu gut. Das ist wie eine üble Droge, oder eine Sucht, die alles mit sich in den Abgrund reißen kann, wenn man nicht aufpasst. Ich finde es aber nicht als Bedrohung, sondern ein Geschenk. Ich würde nicht mehr leben wollen, wenn ich dieses Geschenk, oder die Gabe Geschichten zu erzählen, oder Kunst zu machen wieder hergeben müsste.

Hast du dein Buch „Der Hund“ aus einer filmischen Warte heraus geschrieben? Wie würdest du dir eine Verfilmung dieses Stoffes vorstellen?

Schwer  zu sagen. Die Ebene des Geschmacks wäre sicherlich eines der interessantesten Aspekte daran. Ich will aber noch nicht viel darüber reden, denn die Rechte an der Geschichte sind gerade verkauft worden und ich arbeite momentan an der filmischen Umsetzung.

Deine Beschreibungen wirken sehr plastisch und greifbar. Mir kam bei der Lektüre oft David Lynch in den Sinn, vor allem seine metaphysische Herangehensweise in der neuen Staffel Twin Peaks. Welche Künstler haben dich besonders beeinflusst?

Lynch steht mit Sicherheit ganz oben auf der Liste, meine Tochter heißt nicht durch Zufall Lula. Dann natürlich auch Tarkowski, Buñuel und Kubrick, Trakl, Benn, aber an oberster Stelle steht William Blake. Als ich zum ersten Mal in der Tate Galerie in London seine Originale gesehen habe, stand ich davor und mir sind die Tränen gelaufen als gäbe es kein Morgen und ich konnte nichts dagegen tun. Das war mir sehr peinlich und ist mir bis dahin und auch danach nie wieder passiert.

Dein Durchsetzungsvermögen und dein Wille, deinen Film „Der Nachtmahr“ zu veröffentlichen, haben mich sehr inspiriert, meine Liebe zum Film nicht aus den Augen zu verlieren. Was würdest du jungen Künstlern und Autoren als Rat mit auf den Weg geben?

Niemals auf andere warten. Niemals warten. Unter keinen Umständen. Nimm dir dein Handy und dein Laptop und ruf die Leute an und leg am kommenden Wochenende los. Warte nicht darauf, bis irgendein Idiot dein Drehbuch verstanden hat und seinen Geldbeutel aufmacht, das geht auch alles ohne. Die Drehorte liegen auf der Straße, solange Strom durch die Glühbirnen an der Decke fliest und die Sonne scheint, kann man drehen. Jedes IPhone hat eine 100mal höhere Auflösung als alles, was Godard oder Truffaut damals auf der Schulter hatte. Und ganz wichtig: Lass dir von niemandem erzählen, wie es geht, sondern höre auf deine eigene Stimme.

Mit welchen Schauspielern und Künstlern hast du besonders gerne zusammengearbeitet?

Eigentlich mit allen. Es gab nur sehr, sehr selten anstrengende Typen mit denen ich nicht mehr zusammen arbeiten würde. Ansonsten war es immer ein Fest, dass wie jedes Projekt leider immer irgendwann zu Ende ging.

Was wird dein nächstes Projekt sein und woran arbeitest du gerade?

Ich arbeite an vielen Dingen gleichzeitig. In diesen Tagen ist es konkret ein neuer Roman, parallel dazu Vorbereitungen für meinen neuen Film, den ich hoffentlich bald nach der Corona-Krise angehen kann. Ich schreibe zwei Drehbücher zu Ende und ich baue gerade eine Kamera. Ich habe verschiedene Einzelteile von alten Kameras besorgt und schraube sie gerade zusammen. Und dann bin ich schon seit längerem damit beschäftigt, große Betonreliefs zu bauen. Das braucht mehr Zeit, als ich dachte, aber ich hoffe, noch Ende des Jahres oder spätestens nächstes Jahr für eine erste Ausstellung fertig zu sein.


Titelbild © Lula Bornhak