Von Jonathan Ederer
Hallo Frau Bittenbinder, die aktuelle Krise ist für Kulturschaffende ja eine eher schwierige Zeit und auch Sie haben Lesungen geplant. Wie gehen Sie mit diesen ungewöhnlichen Umständen um?
Mein Mann und ich hätten in dieser Zeit viele verschiedene Live-Auftritte
mit Kollegen gehabt, die leider alle abgesagt werden mussten. Die meisten Auftritte wurden nun in den Herbst verlegt, aber noch kann niemand sagen, ob wir dann wirklich spielen können. Falls eine zweite Welle kommt, fällt auch das sicher ins Wasser und was die Dreharbeiten angeht, muss man auch erst langsam wieder austesten, wie das möglich sein wird. Wir tauschen uns natürlich viel mit anderen aus und versuchen, die Zeit möglichst produktiv zu nutzen und uns gegenseitig zu unterstützen.
Sie spielen oft herrlich bodenständige und traditionelle Charaktere wie zum Beispiel die Sekretärin Angie in der schwarzhumorigen Serie „Hindafing“ mit Maximilian Brückner in der Hauptrolle. Wie wichtig ist Ihnen diese bayerische Tradition auch im Hinblick auf Ihr außerschauspielerisches Leben?
Dadurch, dass ich privat eigentlich meistens Dialekt spreche und ich auf einem bayerischen Bauernhof aufgewachsen bin, bin ich natürlich schon auch sehr bayerisch geprägt, aber ich liebe Dialekte überhaupt und bin immer neugierig auf die Eigenheiten der verschiedenen Menschen und Regionen – nicht nur auf Deutschland und Europa bezogen. Ich habe starke Wurzeln, aber ein „Mia san mia“-Gefühl ist mir eher fremd.
Sie standen in Ihrer Karriere nicht nur vor der Kamera, sondern haben auch in Brecht-Stücken und im Komödienstadl auf Bühnen gespielt. Was sind für Sie die Vorzüge von Film oder Theater?
Es klingt vielleicht klischeehaft, aber ich brauche beides und bin auch überzeugt, dass sich Bühne und Film gegenseitig befruchten können. Die Bühne hat den unbedingten Vorteil, dass man jeden Moment mit dem Publikum teilt und auch die direkten Reaktionen spürt. Das Publikum hat eine starke Wirkung auf das Spiel – das ist das Besondere und das genieße ich sehr. Wenn ich vor der Kamera stehe, kann ich auch mit sehr feinen Mitteln arbeiten. Ich muss eigentlich nur das Richtige denken und dann vermittelt sich mein Charakter und wenn es mir gelingt, dass ich einfach ganz natürlich und selbstverständlich wirke, dann bin ich glücklich.
Der deutsch-österreichischen Genre-Mix „Das finstere Tal“, wo Sie die Wirtin spielen, beispielsweise glänzt mit tollen Sets und authentisch-alpiner Atmosphäre. Was macht für Sie ein guter Dreh aus und an welche Arbeit erinnern Sie sich besonders gern?
Gut, dass Sie „Das finstere Tal“ erwähnen. Das war wirklich eine tolle Arbeit mit wunderbaren Kollegen und einem ganz besonderen Regisseur. Andreas Prochaska arbeitet sehr sensibel und genau und läßt sich auf kein Genre verkürzen. Er kann eine wirklich lustige Komödie genauso gut machen wie die Verfilmung einer wahren Geschichte oder eines so düsteren Stoffes wie im „Finsteren Tal“. Es gibt schon mehrere schöne Drehs, an die ich mich gern erinnere – zum Beispiel „Zwei allein“ von Stefan Wagner und mit dem Regisseur Christian Lerch, mit dem ich zusammen mit meinem Mann und einem außerordentlich harmonischen Ensemble den Kinofilm „Was weg is,
is weg“ gedreht habe, verbindet mich ein echte Freundschaft und die Arbeit mit ihm ist immer ein wirklicher Genuss. Da gibt es so ein gegenseitiges Grundvertrauen, das auch ohne viele Worte funktioniert.
Dem deutschen Film des Mainstreamkinos wird oft mangelnde Selbstreflexion, falsche Schwerpunktsetzung und überstilisierte, amerikanisierte Optik vorgeworfen. Wo sehen Sie die Chancen und Probleme des deutschen Films in der heutigen Zeit – vielleicht auch im Hinblick auf den bayerischen Sprachraum?
Ich denke, wir haben sehr gute Autoren, Regisseure, Schauspieler und Produzenten. Das Potential ist schon da! Ich finde es immer problematisch, wenn man versucht, etwas zu reproduzieren, was gerade erfolgreich ist oder „was das Publikum sehen möchte“. Ich denke, dass es kein Rezept für einen erfolgreichen Film gibt, auch wenn das viele so gerne hätten. Und was zum Beispiel in einem amerikanischen Film gut funktioniert, kann man nicht einfach eins zu eins in einen deutschen Film übertragen. Eigentlich denke ich, es ist immer noch am besten, man schreibt über Dinge, die man gut kennt, die einen wirklich bewegen oder die einen träumen lassen. Wichtig ist einfach, dass man sich etwas traut! Oft schon habe ich erlebt, dass tolle Stoffe so lange bearbeitet wurden, bis sie wieder totaler Durchschnitt waren. Es funktioniert auf keinen Fall, das Publikum auf den kleinsten gemeinsamen Nenner bringen zu wollen – dann wird’s wirklich uninteressant. Da hilft es schon, wenn man sein Publikum liebt und ihm auch was zutraut
Wenn Sie ein grenzenloses Budget zur Verfügung hätten, wie würde der Film Ihrer Träume aussehen?
Ich würde viele ganz verschiedene Filme machen wollen für viele verschiedene Menschen und Situationen. Ich würde gerne die vielen kreativen und produktiven Menschen, die ich kenne zusammenbringen und sie einfach mal machen lassen – da könnte garantiert etwas ganz Neues entstehen.
Mit „Fraueng’schichten“ und „Tod, Kraft & Kolleg*innen“ sind Sie aktuell bei zwei TV-Serien am Start. Was sind Ihre Pläne für die nächste Zeit – hoffentlich mit Bühnen und Kino?
Wenn uns Corona keinen Strich durch die Rechnung macht, werde ich ab Herbst wieder mit unterschiedlichen Live-Programmen auf der Bühne stehen. Ansonsten hoffe ich, dass auch wieder Kinofilme gedreht werden dürfen und dann freue ich mich auf das, was dann hoffentlich auf mich zukommt.
Titelbild © Agentur Heppeler