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Filmische Metakritik

Was kann man tun, wenn die Einschätzungen eines Individuums in Bezug auf einen Sachverhalt und die allgemeine Auffassung zum Missfallen der einen Seite divergiert? Was, wenn die angebrachte Kritik am Etablierten inhaltlich nicht an ihr Ziel kommt, weil sie auf das Formale beschränkt und in der Folge diffamiert wird? Was, wenn die Realität zum Abstraktum wird, das für den Einzelnen nicht mehr nachvollziehbar ist? Der Gegenstand ist hierbei die meinungspolitische Differenz. Verorten wir sie auf demokratischem Boden, muss sie per definitionem dessen im Diskurs zu finden sein und auch ausformuliert werden können.

Entgleitet der Diskurs ins Unsagbare und so ins Irreale, stellt er ein Abstraktum dar, das den offenen Diskurs verhindert. Ein Abstraktum, das den Menschen als oberste Moralinstanz vorschwebt, ohne dass sie es konkret machen können. Ein Phänomen, das unkritisch als solches akzeptiert wird, in der Folge in sämtlichen Regelhaftigkeiten und Normen zur Geltung kommt und sich zuletzt lediglich durch sich selbst legitimiert.

Der Trick an der Kritik

Aber das Abstrakte, das nicht Greifbare, muss wieder fassbar und kontrollierbar werden: Die Lösung kann eine Kritik sein, die auf einer Ebene jenseits des direkten realpolitischen Bezugs stattfindet. Dabei kann sie aber konkret, ja sogar so konkret wie nie sein: Die Lösung ist eine Metakritik am Realen durch den Film und mit dem Film als medialer Gegenstand als solcher und Kritikinstrument.

Hierbei handelt es sich nicht um eine Kritik an der Kritik im eigentlichen Sinne der philosophischen Metakritik, sondern lediglich um eine Kritik, die die mediale Ebene wechselt. Die Ebene von der zum Abstrakten mutierten Realität hin zum künstlerisch konstruierten Konkretum: Die „klassischen“ informierenden Medien als Sprachrohr der Etablierten stehen dem Medium Film als akzeptiertes Sprachrohr der Kritiker nur scheinbar gegenüber und lassen sich mit einem Trick vereinbaren.

Das Unsagbare wird über diesen Wechsel der Betrachtungsweise und somit auch der Artikulationsweise sagbar. Das rührt von einer Distanz, mit welcher der Zuschauer an das Medium Film herangeht: Der Ausspruch „Es ist ja nur ein Film“ impliziert ein Selbstverständnis, das dieser Mensch von diesem Medium hat. Ein eingeschränktes Verständnis auf den ersten Blick, das aber im nächsten Schritt dazu verwendet werden kann, diese Distanz zu etablieren, um an den Kern eines kontroversen Gegenstandes zu gelangen und ihn zum Thema machen zu können, ja zu dürfen. Er wird so indirekt benannt und der Kritiker kann die „Fiktivhaftigkeit“ dieses Werkzeugs als Schutzschild vor der auf die Formalität beschränkte, unreflektierte Kritik verwenden und sie auf diese Weise zugleich als genau solche entlarven.

„Es ist ja nur ein Film!“

Denn, wenn die Kritik, die auf den Kritiker einwirkt, über den filmischen Umweg, den diese gelenkte Debatte geht, inhaltlich plötzlich auf den Gegenstand zeigt und die zuvor ins Visier genommene Formalität (sie alleine reicht nicht aus, um ein Argument beurteilen zu können) durch das fiktive Konstrukt aus dem Rahmen fällt, wird die unreflektierte Kritik mit einem Mal (unbewusst) reflektiert. Oft fehlt es dem emotional aufgeladenen und unsachlichen Diskurs, der sich um Wissenschaftlichkeit bemüht und sich ihr zugleich entsagt, an einer klaren Vorgabe, wie die Diskussionsgegenstände zu verstehen sind. Das bedeutet: Oftmals wird dasselbe gesagt, aber etwas anders gemeint – die für einen erkenntniserweiternden Diskurs essenziellen Definitionen werden im Eifer des Gefechts zu Nebensache.

Dadurch dass der Film als solcher und als kulturell geschaffene Räumlichkeit an sich schon einen solchen Rahmen besitzt – heißt, der Zuschauer verfolgt den Diskurs in einem vorgegebenen moralischen Kontext – kann er die nicht reflektierten persönlichen Interessen beiseitelassen und sich auf eine sachliche Auseinandersetzung einlassen: Der Film übernimmt sozusagen das Emotionale und nimmt es aus der Diskussion. So verschiebt sich auch der emotional aufgeladene Diskurs auf den erst einmal als unrealistisch, da fiktiv eingestuften Diskurs im Film.

Bildquelle: There Will Be Blood © 2008 Walt Disney Studios Home Entertainment

Das Gute in diesem Kontext: Der Film als solcher als realer Bestandteil der Gesellschaft dringt selten in das Bewusstsein eben jener. So entsteht eine Unvoreingenommenheit, die durch ein nur unausgeprägt vorhandenes Selbst-Bewusstsein der Gesellschaft in einem filmischen Kontext der beschriebenen Art zu erklären ist.

Dieser Ansatz der filmischen Metakritik kann an einer etwaigen Erschöpfung der Diskursmöglichkeit ansetzen: eine mediale Umorientierung, die den Fokus in einer Diskussion auf den Gegenstand zu legen in der Lage ist, da sie den unreflektierten Teil des Menschlichen, der zwangsläufig in ein jedes Gespräch miteinfließt, herausnimmt.